MicroSys Electronics adaptiert NXP®-Prozessoren für echtzeitkritische Branchen. Um eine leistungsfähige Software bereitzustellen, ist der Embedded-Hersteller eine strategische Partnerschaft mit Cetitec eingegangen. Welche Vorteile das für Kunden bedeutet, erklären Ina Schindler, CEO von MicroSys, und Dr. Michael Back, CEO von Cetitec, im Interview.

Herr Dr. Back, wie kam es zu der Partnerschaft zwischen MicroSys und Cetitec?
Dr. Michael Back, Cetitec: Die Partnerschaft entstand bei einem gemeinsamen Besuch des Automotive-Ethernet-Kongresses in München. Schnell haben wir gemerkt, dass sich unsere Unternehmen inhaltlich sehr gut ergänzen – MicroSys stellt die hochentwickelte Hardware, wir die darauf abgestimmte Software für harte Echtzeit-Applikationen bereit – zudem sind beide Unternehmen NXP®-Gold-Partner. Durch unsere enge Zusammenarbeit ermöglichen wir die optimale Nutzung der NXP® SoCs, um unseren Kunden innovative und zukunftssichere Lösungen anzubieten.
Mit welchen Stärken kann Cetitec MicroSys bei der Applikationsentwicklung unterstützen?
Dr. Michael Back: Wir sind ein weltweit führender Anbieter im Bereich der Vernetzung von Feldbussystemen und entwickeln Softwarelösungen, die in der Automobilindustrie als zentrale Kommunikationsschnittstellen dienen. Als Tochterunternehmen von Porsche verfügen wir über ein tiefgehendes Know-how im Bereich vernetzter Fahrzeugarchitekturen. Die Zusammenarbeit mit MicroSys ermöglicht es uns, neue Technologien schnell und effizient in die Serienreife zu überführen. Gemeinsam adaptieren wir die Automotive-Prozessoren von NXP® für Anwendungen in Märkten mit hohen Echtzeitanforderungen wie Bahntechnik, Luftfahrt, mobile Maschinen, Medizintechnik oder Automation.
Frau Schindler, welche Vorteile bietet die Partnerschaft für MicroSys-Kunden?
Ina Schindler, MicroSys: Durch die Zusammenarbeit von MicroSys und Cetitec und die gemeinsame Partnerschaft mit NXP® können wir für unsere Kunden innovative Projekte mit einer hohen Integrationsdichte umsetzen. Gerade für Automotive-Kunden ist das ein „perfect match“. Gemeinsam adaptieren wir NXPs® Automotive-Prozessoren für Applikationen wie mobile Baumaschinen – wir nennen das „Beyond Automotive“. Cetitec stellt dabei sein umfassendes Software-Know-how bereit, wir unterstützen Cetitec im Gegenzug mit unseren innovativen Hardware-Lösungen.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Ina Schindler: Derzeit arbeiten wir gemeinsam an einem Forschungsprojekt, das den S32Z2-Prozessor von NXP® für den Einsatz in Drohnen optimiert. Im Rahmen des Projekts „BayCHAMP“ entwickeln Cetitec, MicroSys, Tech S.A.T. und AEE Aircraft Electronic Engineering in Kooperation ein Fluglageregelungssystem, das die Stabilität und Steuerungspräzision von Drohnen verbessert. Diese Entwicklungen haben unter anderem ein großes Potenzial für den Agrarsektor, wo der Einsatz von Drohnen eine immer wichtigere Rolle spielt.
Kürzlich hat MicroSys ein neues Modul entwickelt, das miriac® MPX-S32Z2. Welche technischen Highlights bietet es?
Ina Schindler: Das miriac® MPX-S32Z2 System-on-Module (SoM) basiert auf der S32Z2 CPU von NXP Semiconductors® mit acht Arm® Cortex®-R52-Split-Lock-Kernen. Hinzu kommt ein Cortex®-M33-Lockstep-Kern mit Arm® TrustZone-Architektur und erweiterten Sicherheitsmechanismen wie Speicherschutz. In Kombination bietet die CPU harte Echtzeitverarbeitung sowie über einen digitalen Signalprozessor (DSP) Machine-Learning-Fähigkeit mit bis zu 25 GigaFLOPS. Hiermit ermöglicht die Plattform das Implementieren KI-gestützter Algorithmen für Fahrerassistenzsysteme, autonome Fahrfunktionen oder Predictive Maintenance.
Das Modul ist des Weiteren sehr kompakt ausgeführt und misst lediglich 82 x 50 mm, hiermit ist es ideal für enge Bauräume, wie sie in der Fahrzeugarchitektur vorkommen, ideal geeignet. Das miriac® MPX-S32Z2 ermöglicht beispielsweise die Integration und Vernetzung von Prototypen und Achsträgern in Automotive-Applikationen. Bestehende Achsträger-Plattformen lassen sich um neue Subsysteme, hybride Antriebe oder Infotainment-Systeme erweitern, während das System gleichzeitig eine Umgebung simuliert, die bereits mit der zukünftigen Technologie ausgestattet ist

Welche Vorteile bietet das Modul, speziell die CPU, aus Sicht von Cetitec?
Dr. Michael Back: Ein Alleinstellungsmerkmal des Prozessors sind die dedizierten Beschleuniger für Sicherheitsverarbeitung und Netzwerkkommunikation. Bei NXP® wird dies auch als FlexLLCE (Low-Latency Communication Engine) oder PFE (Packet Forwarding Engine) bezeichnet. Durch diese spezialisierten Engines ist die CPU in der Lage, Domänen- und Zonensteuerungsaufgaben in Fahrzeugarchitekturen effizient zu übernehmen. Die Verarbeitung erfolgt mit minimaler Latenz, wodurch sich sicherheitskritische Anwendungen wie Steuergeräte-Kommunikation oder Echtzeit-Datenverarbeitung in Fahrzeug-Gateways erheblich beschleunigen lassen. Häufig wird in dem Zusammenhang von Hardware-Beschleunigung gesprochen, tatsächlich basiert die Optimierung auf einer speziell entwickelten Firmware, die genau auf die zugrunde liegende Architektur abgestimmt ist.
Die Architektur ist zudem hochskalierbar und erlaubt es Entwicklern, unterschiedliche Betriebssysteme auf den Kernen zu implementieren. Neben QNX für hochleistungsfähige Steuerungssysteme lässt sich auch AUTOSAR OS für ressourcenschonende Echtzeitverarbeitung adaptieren. Durch die parallele Nutzung mehrerer Betriebssysteme lässt sich jede Softwarekomponente optimal für ihre jeweiligen Aufgabenbereiche ausführen.
Welche Anforderungen gibt es hinsichtlich Safety & Security und was kann die CPU dazu beitragen?
Dr. Michael Back: Um den hohen Anforderungen an die funktionale Sicherheit und Cybersecurity gerecht zu werden, verfügt der S32Z2-Prozessor über eine dedizierte Hardware Security Engine (HSE), die sicherstellt, dass das Modul authentifiziert bootet, sodass nur signierte und geprüfte Firmware ausgeführt wird. Durch die Integration einer sicheren Boot-Chain ist das Modul vor manipulierten Software-Updates oder Cyberangriffen auf das Steuergerät geschützt. Das ist insbesondere in Fahrzeugen von Bedeutung, die Over-the-Air-Updates (OTA) erhalten, da lediglich über eine verifizierte Signatur sichergestellt werden kann, dass ausschließlich autorisierte Software-Versionen aufgespielt werden.
Zusätzlich sorgt ein dedizierter Mikrocontroller für die Spannungsüberwachung, um das System zuverlässig gegen unerwartete Spannungsschwankungen oder fehlerhafte Stromversorgungen abzusichern. Diese Funktion erhöht die Betriebssicherheit in sicherheitskritischen Anwendungen und erfüllt die Anforderungen der ISO 26262.
Frau Schindler, in modernen Fahrzeugarchitekturen ist eine umfassende Konnektivität immer wichtiger, Stichwort: Car-to-X-Kommunikation. Wie erfüllt das Modul diese Anforderungen?
Ina Schindler: Für höchste Ansprüche an die Konnektivität im Automobil oder in Baumaschinen, bietet das Modul unter anderem zweifach Gigabit-Ethernet-, 16 CAN- oder drei I3C-Schnittstellen. Auch Zipwire, FlexRay, LIN sowie Aurora unterstützen wir – denn diese Kommunikationsstandards decken sowohl traditionelle als auch moderne Vernetzungsarchitekturen ab und ermöglichen eine effiziente Anbindung an bestehende Steuergeräte und Sensorik.
Während CAN weiterhin für viele klassische Steuergeräte und Sensoren zum Einsatz kommt, gewinnen moderne Hochgeschwindigkeits-Bussysteme wie FlexRay und Ethernet-basierte Kommunikationsprotokolle an Bedeutung. Aurora, ein serielles Hochgeschwindigkeitsprotokoll, dient zum Übertragen hochfrequenter Datenströme mit minimaler Latenz direkt zwischen FPGAs, Prozessoren oder anderen Beschleunigern. Durch die Unterstützung von I3C ist das Modul zudem in der Lage, moderne Sensoren für Fahrerassistenzsysteme und Umweltwahrnehmung effizient anzubinden.
Die Anforderungen hinsichtlich Safety & Security betreffen neben der CPU auch die Software. Wie stellt Cetitec die nötige Konformität der Software sicher?
Dr. Michael Back: Die Security-Architektur von Cetitec basiert auf einem strikten Ausschluss von Wildcards, sodass die Software ausschließlich validierte Botschaften verarbeitet. Alle Nachrichten sind in einer Sicherheitsmatrix mit definierten Zugriffsrechten, Nachrichtenlängen und Parametern hinterlegt und werden über einen gesicherten Prozess mit den Firmware-Containern übertragen. Das minimiert Manipulationsrisiken erheblich, da Angriffe nur bei einer vollständigen Kompromittierung der Update-Kette des Herstellers möglich wären.
Auch in puncto funktionale Sicherheit (Safety) erfüllt Cetitec mit der ISO 26262 höchste Standards. Sicherheitszertifizierte out-of-context Safety-Elemente, wie die Safetycore-Bausteine, ermöglichen die ASIL-konforme Integration sicherheitskritischer Funktionen und bieten eine flexible Lösung für anspruchsvolle Steuerungssysteme.
Gibt es weitere Vorteile, die Software betreffend?
Dr. Michael Back: Ein wesentlicher Vorteil der Cetitec-Software ist ihre Betriebssystem-Agnostik. Durch die Post-Build-Konfigurierbarkeit können Entwickler systemkritische Eigenschaften anpassen, ohne den Quellcode neu zu kompilieren. Cetitec stellt hierfür eine entwicklerfreundliche Toolchain bereit, die eine flexible Konfiguration ermöglicht.
Die Software kann sowohl Bare Metal als auch auf statischen Systemen, Linux oder POSIX betrieben werden, was sie breit skalierbar macht. Um den Übergang zwischen verschiedenen Betriebssystemen zu erleichtern, bietet Cetitec zudem Middleware Frameworks, die eine nahtlose Kommunikation zwischen Linux, AUTOSAR und Bare Metal ermöglichen.
Herr Dr. Back, können Sie anhand eines konkreten Anwendungsfalles beschreiben, wie die Hardware von MicroSys und die Software von Cetitec zusammenarbeiten?
Dr. Michael Back: Für hochdynamische Steuer- und Regelprozesse spielt die Wahl der richtigen Abtastrate eine entscheidende Rolle. Eine zu niedrige Abtastrate führt zu Aliasing-Effekten, die Regelalgorithmen verfälschen und zu instabilen Steuerprozessen führen können. Dies ist besonders in Hochgeschwindigkeitsanwendungen bedeutend. Beispielhaft kann die Steuerung von Drohnen genannt werden, die Geschwindigkeiten von rund 500 Knoten erreichen. Hier müssen die Sensoren mit einer erhöhten Grenzfrequenz arbeiten, um präzise Fluglagenkorrekturen in Echtzeit zu berechnen. Der DSP des S32Z2-Prozessors ermöglicht eine hocheffiziente Echtzeit-Signalverarbeitung, um Dateninterpolation und Rauschfilterung durchzuführen, womit sich die Steuer- und Regelgenauigkeit signifikant verbessert.
Die erste Plattform, die MicroSys für Automotive und Co. adaptiert hat, war NXPs® S32G CPU. Wie können beide Plattformen bestmöglich zusammenarbeiten?
Ina Schindler: Wie erwähnt, bieten wir neben dem S32Z2-Prozessor auch die S32G-Plattformen von NXP® an, die als Companion-Chip für spezifische Anwendungen nutzbar ist. Kunden profitieren von einer einheitlichen Architektur mit nur einem Chip-Hersteller, was die Systemintegration vereinfacht.
Während der S32G-Prozessor für Kommunikations- und Gateway-Funktionen optimiert ist, übernimmt der S32Z-Prozessor das Echtzeit-Controlling. Die Kombination ermöglicht eine effiziente Datenaggregation, -verteilung und verarbeitung – gesteuert durch die enge Integration von MicroSys und Cetitec. In der Praxis zeigt sich oft, dass nicht alle Anwendungsfälle mit einem einzelnen Chip abzudecken sind, insbesondere wenn im Entwicklungsprozess neue Sensoren oder Steuerfunktionen hinzukommen. Durch ein Re-Design mit zusätzlicher Z-Controller-Integration lassen sich alle funktionalen Anforderungen flexibel und effizient umsetzen.

Über Cetitec
Cetitec, ein Porsche-Unternehmen, ist ein führender Software-Spezialist für die Entwicklung von Connectivity System Solutions. Cetitecs skalierbare Softwareprodukte sind Schlüsselelemente für die Mobilitätslösungen weltweiter technologisch bedeutender Automobilhersteller. Mit Neugier, Leidenschaft und Begeisterung baut Cetitec Brücken in neue Fahrzeugvernetzungs- und Kommunikationstechnologien und löst seit 1999 erfolgreich komplexe Herausforderungen.
About MicroSys
MicroSys Electronics entwickelt und produziert seit 1975 Embedded Systemlösungen, ist Gold Partner von NXP® und integriert maßgeblich deren S32 Automotive, Layerscape und QorIQ Prozessortechnologie. Designs auf Basis von System-on-Modules (SoMs) sind die Stärken des Unternehmens aus Sauerlach bei München. Das Portfolio reicht von applikationsfertigen SoMs über kundenspezifische Carrierboard-Designs bis hin zu komplett integrierten Systemen. Einsatzbereiche dieser besonders robusten und langzeitverfügbaren Designs finden sich vor allem in Märkten, in denen Sicherheitsstandards analog der IEC61508 gefordert sind, wie Bahntechnik (EN50155), Luftfahrt (DO-160) und Mobile Maschinen (ISO 13849) sowie Fertigungsroboter (ISO 10218), Steuerungen (IEC 61131-6) und Antriebssysteme (IEC 61800-5-2). Weitere Anwendungsbereiche finden sich in der Medizintechnik (IEC 60601) und in kritischen Infrastrukturen, wie dem Nuklearsektor (IEC 61513) oder der Prozessindustrie (IEC 61511). MicroSys arbeitet in all diesen Branchen eng mit seinen Kunden zusammen, um sicherzustellen, dass die jeweils zugehörigen Standards vollständig erfüllt werden. Weitere Informationen unter https://microsys.de/